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03.05.2021 – Am 23. April 2021 wurde bekannt gegeben, dass der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Zulassungsempfehlung für Satralizumab als subkutane Monotherapie oder in Kombination mit einer immunsuppressiven Basistherapie zur Behandlung von anti-Aquaporin-4-Immunglobulin G (AQP4-IgG)-seropositiven Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) ausgesprochen hat. 

Die Empfehlung gilt für Jugendliche ab einem Alter von 12 Jahren sowie für Erwachsene. Satralizumab wurde 2020 u.a. bereits in den USA, Japan und in der Schweiz zur Behandlung der AQP4-IgG-seropositiven NMOSD zugelassen.

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) begrüßt diese neue Behandlungsoption, welche die Behandlungsmöglichkeiten der AQP4-IgG-seropositiven NMOSD verbessert und erweitert.

Herr Prof. Wiendl, Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Münster und Vorstandssprecher des KKNMS betont: „Das zur Verfügung stehende Spektrum an zugelassenen Therapien für die NMOSD ist limitiert, vor allem für Jugendliche mit NMOSD gab es bislang keine zugelassene Therapie“. 

Satralizumab ist ein humanisierter monoklonaler anti-Interleukin-6 (IL-6) Rezeptor-Antikörper und wurde spezifisch für die NMOSD-Therapie entwickelt. Eine neue Recycling-Technologie unterscheidet Satralizumab von dem bekannten anti-IL-6 Rezeptor Antikörper Tocilizumab, wodurch es mehrfach an der Zielstruktur binden kann. Ziel ist es bei der NMOSD die durch IL-6 vermittelten Entzündungskaskaden zu inhibieren, und durch die IL-6 Blockade auch die Differenzierung von B-Zellen in antikörperproduzierende Plasmablasten zu unterbinden. Satralizumab wird  – nach einer Aufdosierungsphase (Woche 0, 2 und 4) – alle 4 Wochen mit 120 mg durch den behandelnden Arzt oder selbständig durch die Patienten subkutan appliziert.

Zwei Phase-III-Studien haben gezeigt, dass sich das Schubrisiko für NMOSD Patienten durch Satralizumab-Gabe signifikant verringert. In einer Studie wurde Satralizumab dabei als Monotherapie eingesetzt und mit Placebo verglichen und in einer zweiten Studie in Kombination zu einer bestehenden immunsuppressiven Therapie (z.B. Azathioprin) verabreicht. Die kombinierten Daten aus beiden Studien zeigten eine Risikoreduktion um 58% für das Auftreten von Erkrankungsschüben; bei AQP4-IgG-seropositiven NMOSD Patienten waren diese Effekte noch stärker ausgeprägt (Risikoreduktion um 75%). Es zeigten sich keine signifikanten Effekte auf die Behinderungsprogression gemessen mit dem EDSS. Das Sicherheitsprofil war in beiden Studien gut. Sehr häufige Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, Harnwegsinfekte, Arthralgien und lokale Reaktionen an der Injektionsstelle. In Bezug auf Laborparameter traten sehr häufig Hyperlipidämien und Leukopenien auf und Transaminasen waren häufig erhöht.

Die Therapie – vor allem der AQP4-IgG-seropositiven NMOSD – erfolgte in den letzten 10 Jahren off-label mit Rituximab. Hierfür liegen sehr gute Daten bezüglich der Wirksamkeit vor und es gibt viel Erfahrung zur Langzeittherapie mit Rituximab in Deutschland und international. 

Mit der Zulassung von Satralizumab haben wir nun eine neue Option AQP4-IgG-seropositive NMOSD Patienten und insbesondere auch Jugendliche mit einem zugelassenen Medikament zu behandeln. Die Entscheidung bei welchen Patienten eher eine Monotherapie oder eine Kombinationstherapie erfolgen sollte, hängt unter anderem von Vortherapien, Krankheitsaktivität, aber auch Ko-Morbiditäten (z.B. zusätzlichen Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis) ab und muss individuell entschieden werden.

„Patienten, die stabil und gut auf eine off-label Therapie eingestellt sind, sollten dennoch nicht umgestellt werden, da eine Umstellung immer ein gewisses Risiko für das Auftreten von Erkrankungsschüben mit sich bringt“, sagt Frau Prof. Dr. Kümpfel, Leiterin Neuroimmunologischen Ambulanz der LMU München und Mitglied des KKNMS Vorstands.

Die Effekte von Satralizumab für die AQP4-IgG-seronegative NMOSD bleiben angesichts der niedrigen Fallzahl in den Studien unklar und müssen weiterführend untersucht werden. „Ebenso müssen Langzeitdaten hinsichtlich des Sicherheitsprofils erfasst werden“, so Frau Prof. Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz und Mitglied des KKNMS Vorstands.

Patienten, die Satralizumab erhalten, sollten regelmäßig von spezialisierten und in der Therapie der NMOSD erfahrenen Ärzten betreut werden. Der Erkrankungsverlauf sowie die erforderlichen Kontrolluntersuchungen sollten überwacht werden. Insbesondere wenn Patienten die Injektionen regelmäßig selbständig zu Hause durchführen, müssen die erforderlichen Kontrolluntersuchungen gewährleistet sein. Empfehlungen zum Einsatz von Satralizumab und zu Kontrolluntersuchungen vor sowie während der Therapie gibt das KKNMS in Zusammenarbeit mit der Neuromyelitis optica Studiengruppe (NEMOS) in Kürze im Rahmen des Qualitätshandbuchs heraus, ansonsten gelten die Vorgaben der Fachinformation.

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Der Fokus der aktuellen KKNMS-Projekte liegt auf der langfristigen Verbesserung der MS-Diagnose, -Therapie und -Versorgung. Die Geschäftsstelle ist am Universitätsklinikum Münster angesiedelt.

1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die DMSG mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und etwa 800 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, fast 4.000 ehrenamtlichen Helfern und 276 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG fast 43.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 250.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.

MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Weltweit sind schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen an MS erkrankt.

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