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23.04.2021 – Die Europäische Kommission hat den Anti-CD20-Antikörper Ofatumumab am 29.03.2021 zur Therapie der aktiven schubförmigen Multiplen Sklerose bei Erwachsenen zugelassen. Das Mittel wird subkutan gespritzt und kann nach Anleitung und supervidierter Therapieinitiierung vom Patienten selbst appliziert werden. 

Damit erweitert sich das Repertoire der Multiple-Sklerose-Medikamente erneut. Neben den Medikamenten Ocrelizumab und Rituximab (off-Label) ist der B-Zell-depletierende Wirkstoff Ofatumumab (vermarktet als Kesimpta®, Novartis) ein weiterer Anti-CD20-Antikörper für die Therapie der Multiplen Sklerose bei Erwachsenen. Die Zulassung erfolgte für alle Formen der aktiven schubförmigen Multiplen Sklerose (RMS), definiert durch klinische bzw. bildgebende Untersuchungen. „Das Präparat ist damit auch eine Option zur frühzeitigen Behandlung der aktiven MS“, sagt Prof. Ralf Linker, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Regensburg und Mitglied des KKNMS Vorstands sowie des Vorstands des Ärztlichen Beirates der DMSG, Bundesverband e.V. 

Ofatumumab ist der erste B-Zell hemmende Wirkstoff, den Patienten selbst mit Hilfe eines Fertigpens subkutan injizieren – und zwar einmal monatlich in einer Dosierung von 20mg, nach Einleitung der Therapie über 2 Wochen mit 3 Injektionen (alle 7 Tage). Der monoklonale Antikörper gelangt nach subkutaner Injektion rasch in die Lymphwege, wo er das Zelloberflächenmolekül CD20 spezifisch erkennt und daran bindet. Zwar findet nur die Initialbehandlungen an den Tagen 1, 7 und 14 unter Beobachtung statt. Dennoch ist es zwingend notwendig, dass Patienten, die Ofatumumab erhalten, von spezialisierten und in der Therapie der MS erfahrenen Ärzten engmaschig betreut werden. Zu den notwendigen und empfehlenswerten Kontrolluntersuchungen vor und während der Therapie gibt das KKNMS in Kürze ein Qualitätshandbuch heraus, ansonsten gelten die Vorgaben der Fachinformation.

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ofatumumab wurden in zwei doppelblinden, Verum-kontrollierten Phase 3-Studien (ASCLEPIOS I und II) untersucht und bestätigt. Dabei erhielten 1.881 Patienten (im Durchschnitt: Erkrankungsbeginn vor 8 Jahren, EDSS-Wert 2,9 und kontrastmittelaufnehmende Läsionen vorhanden bei 40%) entweder Ofatumumab oder Teriflunomid. Die adjustierte jährliche Schubrate nahm in den jeweiligen Studien unter Ofatumumab um 50,5% bzw. 58,5% ab. Auch war das Risiko einer Behinderungsprogression (Verschlechterung des EDSS-Wertes) unter Ofatumumab um 34,4% (nach 3 Monaten) und 32,5% (nach 6 Monaten) verringert.

Die hauptsächlichen Nebenwirkungen nach Ofatumumab-Gabe waren milde bis moderate lokale Injektionsreaktionen sowie Nasopharyngitis (18,0 %), Infektionen der oberen Atemwege (10,3 %) und Harnwegsinfektionen (10,3 %). Eine Herpesvirusassoziierte Infektion wurde bei 4,9 % der Patienten berichtet.

„Insgesamt sehen sowohl das Wirksamkeits- als auch das Nebenwirkungsprofil zunächst sehr positiv aus, mit der Einschränkung, dass wir momentan erst einen Überblick über die Zeit der Studien haben“, sagt Prof. Zipp, Direktorin der Neurologie am Universitätsklinikum Mainz und Mitglied des KKNMS-Vorstands sowie des Vorstands des Ärztlichen Beirates der DMSG, Bundesverband e.V.In der Verlängerungsstudie ALITHIOS werden die Studienpatienten weiter nachbeobachtet und auch Daten aus der praktischen Anwendung bei Patienten im Klinikalltag werden nun gesammelt.

  • Hauser, S. L., Bar-Or, A., Cohen, J. A., Comi, G., Correale, J., Coyle, P. K., … & Kappos, L. (2020). Ofatumumab versus teriflunomide in multiple sclerosis. New England Journal of Medicine, 383(6), 546-557.
  • EMA Zulassungstext https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/kesimpta

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Der Fokus der aktuellen KKNMS-Projekte liegt auf der langfristigen Verbesserung der MS-Diagnose, -Therapie und -Versorgung. Die Geschäftsstelle ist am Universitätsklinikum Münster angesiedelt.

1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die DMSG mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und etwa 800 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, fast 4.000 ehrenamtlichen Helfern und 276 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG fast 43.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 250.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.

MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Weltweit sind schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen an MS erkrankt.

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